Demenz: Schützt geistige Arbeit das Gehirn?

(mko) Je qualifizierter im Beruf, je größer der Schutz vor Demenz. Das besagt eine US-amerikanische Studie.  Demnach hängt die Lebenserwartung von Menschen, die an einer frontotemporalen Demenz erkrankt sind, u.a. von der beruflichen Tätigkeit der Betroffenen ab. „Möglicherweise führt eine berufslebenslange geistig stimulierende und fordernde Betätigung zur Ausbildung einer echten geistigen Reserve des Gehirns“, so Professor  Gereon Fink, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Uniklinik Köln.

Ebenso wie Alzheimer wird auch die seltenere frontotemporale Demenz (FTD) durch den Untergang von Nervenzellen des Gehirns verursacht. Betroffen sind vor allem das Stirnhirn und der Schläfenlappen, was zu Veränderungen der Persönlichkeit und des Verhaltens sowie zu Sprachstörungen führt. Leider gibt es bislang keine gezielten Therapiemöglichkeiten. Von Alzheimer-Medikamenten profitieren Patienten mit einer FTD nicht, und sie erkranken im Durchschnitt auch deutlich früher, im Alter von 50 bis 60 Jahren, sind also noch im beruflich aktiven Alter. Man schätzt, dass etwa 3 bis 9 Prozent der rund 1,4 Millionen Demenzkranken in Deutschland an der FTD leiden, das entspricht mindestens 42.000 Patienten in Deutschland.

Geistig anspruchsvolle Berufe könnten das Überleben verlängern

„Die aktuelle Studie zeigt erstmals, dass der berufliche Status die Lebenserwartung von Patienten mit FTD nach Diagnosestellung möglicherweise deutlich positiv beeinflusst“, so Fink.
Dr. Lauren Massimo von der Universität Pennsylvania in Philadelphia hat mit Kollegen untersucht, ob geistig anspruchsvolle Berufe die Überlebensdauer nach der Diagnose der Krankheit verlängern können. Sie verglich dazu die Krankenakten und die Biografien von 83 Personen, die entweder an der Alzheimer-Krankheit verstorben waren oder an einer FTD. Beruflicher Erfolg wurde klassifiziert anhand des erreichten Beschäftigungsstatus, also ob jemand als Arbeiter, Handwerker oder Verkäufer oder aber als Anwalt, Arzt oder Ingenieur arbeitet.

Kognitive Reserve im Gehirn schützt vor Demenz

Schon frühere Arbeiten haben gezeigt, dass Menschen mit einem niedrigen Bildungsniveau ein höheres Risiko haben, an der Alzheimer-Krankheit zu erkranken, und dass diese Patienten dann schneller ihre geistigen Fähigkeiten verlieren. „Möglicherweise führt eine berufslebenslange geistig stimulierende und fordernde Betätigung zur Ausbildung einer echten kognitiven Reserve des Gehirns“, vermutet Fink. Als kognitive Reserve bezeichnen Wissenschaftler die Fähigkeit des Gehirns, den durch eine neurodegenerative Erkrankung verursachten Zellenabbau auszugleichen und damit die geistige Leistungsfähigkeit trotz Fortschreiten der Erkrankung lange Zeit aufrechtzuerhalten. Vereinfacht gesagt: Wer ein gut trainiertes Gehirn hat, dem schadet es weniger, wenn kleine Teile des Gehirns nicht mehr so funktionstüchtig sind.

 

Quelle:Fachzeitschrift „Neurology“ April 2015