Welche Rolle spielt die „Epigenetik“ bei Erkrankungen?

(mko) Gene und nicht nur die Erbsubstanz bestimmen den Verlauf unserer Gesundheit, welche Gene werden später aktiv oder prägen sich aus? So erhöhen z.B. Schwangere mit krankhaftem Übergewicht und Diabetes mellitus für das ungeborene Kind das Risiko, später selbst daran zu erkranken. Denn nicht nur die Erbsubstanz bestimmt, mit welchen angeborenen Merkmalen und Krankheiten ein Mensch zur Welt kommt, mit entscheidend ist auch, welche Gene später aktiv werden und sich ausprägen. In diesem Zusammenhang spricht man von „Epigenetik“, hier lassen sich wissenschaftliche Rückschlüsse ziehen, wie beispielsweise Diabetes oder auch Krebs entstehen. Forscher finden darin Ansätze für neue Therapien.
Jede lebendige menschliche Zelle verfügt über den gesamten Bauplan des Erbguts. Doch um sich für die verschiedensten Einsatzgebiete zu differenzieren, brauchen Zellen gezielte Erbinformationen, andere dagegen benötigen sie gar nicht“, so Professor Ulrich R. Fölsch, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft Innere Medizin. Muskelzellen im Herz etwa, Membranzellen der Niere oder Nervenzellen im Gehirn brauchen von den Genen nur bestimmte Informationen. Welche genau sie abrufen, ist chemisch durch sogenannte Methyl-Gruppen festgelegt. Diese bilden charakteristische
Markierungen auf dem DNA-Faden. Diese „DNA-Methylierung“ vererbt sich – genau wie die Gene – von Generation zu Generation. Anders als Gene können sich die DNA-Methylierungsmuster jedoch durch äußere Einflüsse verändern. Beispielsweise zeigen Studien, dass nach Zeiten der Mangelernährung im 2. Weltkrieg geborene Kinder später als Erwachsene ein deutlich erhöhtes Risiko für einen Typ-2-Diabetes mellitus oder eine Adipositas aufwiesen. „Tierexperimente bestätigten diesen Zusammenhang und deuten darauf hin, dass die embryonale und frühe vorgeburtliche Phase besonders empfindlich für epigenetische Veränderungen sind“, sagt Professor Andreas Pfeiffer, Leiter der Abteilung für Endokrinologie, Diabetes und Ernährungsmedizin, Charité, Berlin. Zwillingsstudien zeigen auch, dass schon nach einigen Wochen Diät Veränderungen im Fettstoffwechsel und in der Ausprägung bestimmter Gene auftreten.
Auch Krebszellen nutzen die DNA-Methylierung für ihre Zwecke. So schalten einige Formen von Blutkrebs Gene ab, die in gesunden Zellen eine ungehinderte Zellteilung unterdrücken, so genannte Tumorsuppressor-Gene. Die Zellen wuchern dadurch ungebremst. Dieses Wissen nutzten Forscher bereits für die Entwicklung von Medikamenten. Beispielsweise hilft der Wirkstoff Azacitidin bei der Behandlung der Akuten Myeloischen Leukämie. Das Medikament verhindert, dass die Krebszellen DNA-Markierungen setzen.